Fig. 1 – Satz des Pythagoras |
Der Satz von Pythagoras ist das zweite große geometrische Zahlengeheimnis welches in Ägypten, und ganz speziell in den Gizeh-Pyramiden "entdeckt" wird. Ob nun Pi oder Pythagoras häufiger strapaziert wird weiß ich nicht, aber zu Pythagoras sind letzthin modernere Arbeiten erscheinen, eine davon bespreche ich auf der nächsten Seite.
Genau wie Pi ist der "Satz des Pythagoras" eigentlich nichts besonderes, obwohl die nebenstehende Grafik, die diesen Satz verdeutlicht, auf den Laien einen geheimnisvollen Eindruck erwecken mag.
Pythagoras, der griechische Philosoph und Mathematiker (ca. 570-480 v. Chr.), gründete eine Schule der Philosophie, in der Musik und mit ihr Zahlen eine besondere Bedeutung besaßen. Die gesamte Welt sollte sich aus dem Zusammenwirken von Zahlen erklären lassen, als Konsequenz daraus suchten die Pythagoräer nach mathematischen Gesetzmäßigkeiten zur Erklärung der Natur.
Eine der Gesätzmäßigkeiten die dabei gefunden wurde betraf sogenannte rechtwinklige Dreiecke. Das sind Dreiecke in denen zwei Seiten zueinander einen "rechten Winkel", also einen von 90° bilden. Die beiden Seiten, die diesen Rechten Winkel bilden, nennt man Katheten, die Seite die die beiden Katheten verbindet wird Hypotenuse genannt. Die Pythagoräer fanden nun heraus:
Mathematisch wird die Zeichnung daher wie folgt beschrieben: A2 = B2 + C2 . Und dies soll sich in Gizeh finden lassen! Schauen wir mal...
Erich von Däniken schreibt in Rätsel (6): "Die drei Pyramiden von Gizeh sind untereinander im pythagoreischen Dreieck ausgerichtet, deren Seiten stehen im Verhältnis 3:4:5". Dies ist bei genauerer Betrachtung allerdings höchst fraglich...
Fig. 2 – Gizeh-Dreieck |
Um festzustellen, dass die drei Gizamiden nicht in einem pythagoreischen Dreieck angeordnet sein können, reicht ein einziger Blick auf eine Karte des Gizeh-Plateaus (wenn man weiß, was ein rechtwinkliges Dreieck ist, natürlich :-) ). Alle drei Pyramiden stehen fast auf einer Linie (im Orion-Teil betrachte ich diese "Gizeh-Diagonale" genauer), nur die Spitze der Mykerinos-Pyramide weicht leicht nach Osten ab. Kein rechtwinkliges (pythagoreisches) Dreieck weit und breit. Die Behauptung Dänikens ist einfach Mist, und ein deutlicher Beleg dafür, dass der "große Meister" offenbar keine Ahnung hat worüber er überhaupt schreibt – oder dass es ihn nicht interessiert.
Das "Verhältnis von 3:4:5" taucht allerdings auch in Büchern von Autoren auf, die etwas mehr Ahnung haben worüber sie schreiben. So taucht diese Behauptung bereits beim schon erwähnten Piazzi Smyth im Jahre 1864 auf. Dieses Verhältnis bezieht sich allerdings nicht, wie Däniken fälschlicherweise interpretierte, auf die Pyramidenanordnung, sondern auf die Pyramidengrundseiten!!!
Die Breite der drei Pyramiden (Cheops, Chefren und Mykerinos) sollen in diesem Verhältnis stehen, und nicht die Pyramiden zueinander so angeordnet sein. Wenn die Pyramiden im 3:4:5-Verhältnis stehen, muss also ein gemeinsames Längenmaß vorhanden sein, welches dreimal in der kleinsten, der Mykerinospyramide, viermal in der zweitgrößten Chephrenpyramide, und fünfmal in der größten, der Cheopspyramide, vorkommt.
Dies kann man wieder einmal schnell mit einem simplen Taschenrechner prüfen. Suchen wir zunächst das "Grundmaß":
Pyramide | Basisbreite | Faktor | Breite/Faktor |
---|---|---|---|
Cheops | 230,36 m | 5 | 46,07 m |
Chephren | 215,50 m | 4 | 53,87 m |
Mykerinos | 108,50 m | 3 | 36,16 m |
Hm, nicht sehr überzeugend. Die "Basiseinheit" schwankt zwischen 36 und 53 Metern, um knapp 67%, das ist kein "Fehler" mehr. Bei einem 3:4:5-Verhältnis müssten die Pyramiden mit den verschiedenen "Grundmaßen" folgende Größen besitzen:
Basis | Cheops | Fehler | Chephren | Fehler | Mykerinos | Fehler |
---|---|---|---|---|---|---|
Cheops | 230,36 | 0 m | 184,28 m | -31,22 m | 138,21 m | +29,71 m |
Chephren | 269,35 m | +38,99 m | 215,50 m | 0 m | 161,61 m | 53,11 m |
Mykerinos | 180,80 m | 49,56 m | 144,64 m | -70,86 m | 108,50 m | 0 m |
Tja, Pech, keine gemeinsame Basisgröße - und daher stehen die Pyramiden auf keinen Fall im 3:4:5-Verhältnis zueinander.
Zur Entschuldigung von Taylor muss man noch einmal darauf hinweisen, dass zu seiner Zeit die Pyramiden noch meterhoch mit Schutt eingedeckt waren, und die von ihm verwendeten Maße nur Schätzungen waren, die er seinen Thesen anpasste. Spätestens seit Petrie 1883 sein Buch „Pyramids and Temples of Giza“ publizierte, sollten diese „Rätsel“ aber vom Tisch sein. Tja, denkste...
Es gibt aber noch eine weitere Interpretation, die in manchen Büchern und Aufsätzen auftauchen, danach sollen die Flächeninhalte der Grundseitenquadrate der drei Pyramiden denen eines 3:4:5-Dreiecks entsprechen. Auch dies ist in wenigen Sekunden mit den obigen Daten und einem Taschenrechner überprüfbar: Cheops: 53075 Quadratmeter, Chefren 46440 und Mykerinos 11772 Quadratmeter. Chefren und Mykerinos zusammen ergeben 58212 Quadratmeter - 5137 Quadratmeter größer als Cheops. Dieser "Rundungsfehler" wäre die Basisfläche einer Pyramide mit 71 m Seitenlänge! Nein, die Behauptung ist wieder einmal schlicht falsch.
Nach diesem erneuten Däniken-Fiasko wurden 10 Rätsel widerlegt, bleiben nur noch 9 Pyramidengeheimnisse übrig!
Es gibt allerdings wirklich ein 3:4:5-Dreieck in Gizeh - eingebaut in die Chephrenpyramide! dieses Dreieck wird "heiliges Dreieck" genannt und von einigen Autoren ebenfalls zum Geheimnis hochstilisiert. Warum?
Normalerweise stehen die Seiten rechtwinkliger Dreiecke in einem ungeraden Verhältnis zueinander, es sind ja letztendlich Quadratwurzeln. Wählt man eine Kathete mit 4 Einheiten, die zweite zu 6 Einheiten, ist die resultierende Hypotenuse Wurzel aus (4*4 + 6*6) = 6,92 Einheiten lang. Quadratwurzeln kannten die Ägyptern nicht, allerdings waren sie auf rechtwinklige Dreiecke angewiesen, weil es nur mit ihnen möglich ist, das Land nach jeder Nilüberschwemmung neu aufzuteilen oder die zur Steuererhebung zu ermittelnde Landfläche eines Bauern zu vermessen. Daher konnten sie nur Dreiecke verwenden, bei denen die Quadratwurzeln der Kathetenquadrate ganze Zahlen (1, 2, 3...) ergaben. Das kleinste dieser Dreiecke besitzt eben das Verhältnis 3:4:5 (32 + 42 = 25 = 52)!
Aber wozu braucht man denn so was? Ganz einfach, so kann man Rechtecke anreißen, ohne jemals einen Winkel messen zu müssen. Nimmt man ein Seil mit (3+4+5) Knoten, fixiert den 1, noten am Startpunkt der Vermessung, geht dann mit dem Seil in die Richtung der geplanten Grundseite des neuen Feldes und fixiert den 3. Knoten an einem Pflock, geht dann mit dem Rest des Seils für 4 Knoten ungefähr in die geplante Richtung der Feldseite, lässt den 4. Knoten dort festhalten und geht dann mit dem losen Ende des Seils diagonal zu Knoten 1 und führt die beiden Seilenden zusammen, erhält man, automatisch ein rechtwinkliges Dreieck, wenn der Halter am 4. Knoten beide Seiten straff hält. Dann kann man den 4. Knoten ebenfalls fixieren, den 3. Knoten lösen und straff auf die andere Seite ziehen, und hat ein perfekt rechteckiges Feld von 3*4 Einheiten Größe markiert. Etliche Kammern in den Pyramiden sind eindeutig mit dieser Methode konstruiert worden!
Um so ein Dreieck konstruieren zu können - braucht man da nicht nur den Satz von Pythagoras UND Wissen über Quadratwurzeln? Also DOCH ein Zeichen für Astronauten?
Nicht notwendig, denn wie ich in einem Experiment herausfand, findet man dieses Verhältnis ganz fix selbst heraus - ohne die zugrundeliegende Theorie zu kennen! Dazu braucht man nur ein Seil mit vielen Knoten (in gleichen Abständen, selbstverständlich) und drei Helfer. Man geht vor wie oben: ersten Knoten fixieren, Grundlinie abgehen, nächsten Knoten fixieren. Dann, im Gegensatz zu oben, rechten Winkel messen und in die neue Richtung gehen. Gewünschten Knoten fixieren und mit dem Restseil wieder zum 1. Knoten gehen.
Nach einer gewissen Weile werden die Ägypter gemerkt haben, dass bei bestimmten Knotenverhältnissen der Grundseiten ein Knoten des losen Restseils deckungsgleich mit dem 1. Knoten zu liegen kommt, und man sich in dem Fall die Messung des Rechten Winkels sparen kann. Dafür braucht man weder Götter noch Astronauten – und auch keine kleinen pelzigen Wesen von α Centauri.
Fig. 3 – Pyramidenschnitt |
Allerdings besteht schon ein kleiner Unterschied zwischen dem Ausmessen eines Ackers und der Verankerung eines heiligen Dreiecks in der zweitgrößten Pyramide der Welt! Sägt man nämlich die Chefrenpyramide in ihrer Mitte durch - bitte, Kinder, macht das nicht zu Hause - sieht man, dass jedes Viertel exakt im 3:4:5-Verhältnis errichtet wurde! Also doch!
Trotzdem ist das nichts besonderes (auch wenn es Sie inzwischen anödet, das zu hören), die ägyptischen Baumeister hatten nämlich überhaupt keine Chance, an dem heiligen Dreieck vorbeizubauen! Zumindest nicht in allen Pyramiden, die im 21:1-Verhältnis gebaut wurden. Sie erinnern Sich? Die Pi-Ramide? Steigungen? Elle-Finger-Verhältnisse? Die Chefrenpyramide ist im 21:1-Verhältnis gebaut, also 21 Finger Länge auf eine Elle (=28 Finger) Höhe. Also 21:28. Das kann man durch 7 dividieren, bleibt ein Höhen-Breitenverhältnis von 3:4! Dies sind die beiden Katheten eines rechtwinkligen Dreiecks, die dritte Seite muss daher 5 Längeneinheiten betragen. Bei allen 21:1-Pyramiden. Auch dies ist daher keinerlei Beweis dafür, dass die Ägypter irgend etwas von höherer Geometrie verstanden.